Mein Name ist Tanja Lorenz. Ich bin 38 Jahre alt, verheiratet und Mutter von vier Kindern.
Meine Tochter (14), mein Sohn (9) und meine Zwillingstöchter (6) haben mir eine wundervolle Stillzeit geschenkt. Mutter von vier gestillten Kindern zu sein, deren Stillbeziehungen mich durch die unterschiedlichsten Situationen meines Lebens begleitet haben, war meine Inspiration vor nun mehr als vier Jahren die Ausbildung zu Stillbegleiterin beim DAIS zu absolvieren. Seitdem bin ich als freiberufliche Stillberaterin im Westerwald tätig.
Meine erste berufliche Herausforderung bestand darin, meine Großfamilie, die Selbständigkeit meines Mannes sowie meinen Wunsch, Frauen in dieser sensiblen Phase ihres Lebens zu betreuen, zu kombinieren. Dies erforderte gewiss eine akribische Planung und Strukturierung des Alltags.
Meine Besuche führen mich durch den gesamten Westerwaldkreis, über den Großraum Koblenz bis in den Bonner Raum hinein. Zu Beginn meiner Tätigkeit habe ich über Suchmaschinen im Internet bzw. über Facebook für meine Dienstleistungen geworben. Ebenso mittels Flyern in Apotheken und Arztpraxen. Mittlerweile gestaltet sich die Nachfrage zunehmend über Mund- zu-Mund-Propaganda, aber auch über Frauen, die nun das zweite oder dritte Kind erwarten und frühzeitig auf meine Hilfe zurückgreifen.
Nach der Kontaktaufnahme per E-Mail oder Telefon begegne ich meinen Müttern bei einem ersten Hausbesuch, der üblicherweise etwa zwei Stunden in Anspruch nimmt. Dort wird die erste Anamnese der Mutter und des Kindes besprochen und die jeweilige Problematik dokumentiert. Natürlich bin ich, wie auch jeder andere mit medizinischem Hintergrund und Patientenkontakt, zur ausführlichen Dokumentation meiner Tätigkeit verpflichtet. Die darauffolgenden Hausbesuche beanspruchen je nach Aufwand der Behandlung und Vorbereitung ein individuelles Maß an Zeit.
Die Frauen, die mich kontaktieren, treten mit ganz unterschiedlichen Problematiken an mich heran, vorwiegend direkt nach ihrem stationären Aufenthalt in der Klinik aber auch Frauen nach Hausgeburten ohne längere Hebammenhilfe zu Hause. Ferner wenden sich Mütter von frühgeborenen Kindern an mich, bei denen die Stillberatung über die normalen Hebammenbesuche hinausgehen muss. In diesem Zusammenhang möchte ich auch die zahlreichen Mütter von Zwillingen erwähnen. Es ist äußert befriedigend gerade in diesen Situationen helfen zu können, da oftmals nicht nur meine fachliche Kompetenz gefragt ist, sondern sehr oft viel mehr auch die Erfahrungswerte einer Mutter und die tröstenden Worte, die ein solches Gespräch mit sich bringt.
Die Ausbildung beim DAIS hat mir das passende Rüstzeug gegeben professionell mit ganz unterschiedlichen Bedürfnissen von Mutter und Kind umzugehen.
Angefangen von einmaligen Hausbesuchen, bei denen Stillpositionen korrigiert werden oder Unsicherheiten in der Handhabung und Pflege des Säuglings geklärt werden, bis hin zum Beikostalter, zu Fragen zum korrekten Anlegen des Kindes, der Dauer und Häufigkeit des Stillens oder zum Abgewöhnen von Brusthütchen sind Bestandteil meines Betätigungsfeldes. Bis hin zu Müttern mit schweren Geburtstraumata, bei denen ich mittels Bonding-Bad und vor allem dem selbstgesteuerten Anlegen des Kindes zum Stillen, einen sehr guten Behandlungserfolg in der Mutter-Kind- Beziehung erzielen konnte.
Zwillingsmütter zu unterstützen, bei der oft kombinierten Problematik der frühgeborenen Kinder, verschiedene Anlegetechniken und die Kontrolle des Gewichtsverlaufes sind mein persönliches Steckenpferd. Hierbei habe ich mit Frühgeborenen zu tun, die über das Fingerfeeding und danach über das Brusternährungsset zum Stillen gekommen sind und die eine wunderschöne Stillbeziehung bis heute haben. Auch wenn dies natürlich eine sehr enge Betreuung der Familie, teils über Monate, erfordert.
Die Problematik der mangelnden Gewichtsentwicklung des Kindes, stellt mich oft vor Herausforderungen, da ich hier zwischen dem Kinderarzt und der Mutter stehe und eine individuelle Lösung ohne gesundheitliche Beeinträchtigung des Kindes finden muss. Manchmal sind es nur Feinabstimmungen, die dazu führen, dass das Kind auf einmal wesentlich effektiver trinkt, manchmal sind es auch zu kurze Zungenbändchen oder der Faktor Stress und zu hohe Erwartungen, die ein Eingreifen erforderlich machen.
Eine Lösung zwischen Zufütterung und vollem Stillen ist hier zu finden. “Stillen geht nicht über alles“ – auch diese Devise gehört manchmal zu meinen Hausbesuchen. Zum Beispiel, wenn ich ein schlaffes Baby ohne ausreichende Miktion mit entsprechender Gewichtsentwicklung vor mir habe, das aber doch „scheinbar“ ein ruhiges und zufriedenes Kind ist.
Bei jedem Hausbesuch liegt meine Verantwortung bei Mutter und Kind, manchmal in Absprache mit Kinderärzten oder Gynäkologen, nachdem mich die Mutter von der Schweigepflicht entbunden hat. Der Spagat zwischen einem voll gestillten Baby und einem mittels Flasche genährten ist manchmal sehr groß, da oftmals die Bedeutung des Stillens über die Ernährung hinaus, völlig unterschätzt wird. Dazwischen liegt schließlich so viel mehr. Anfängliche Schwierigkeiten führen dann schnell dazu, dass das Stillen als unangenehm und lästig empfunden wird. Dem Kind, das den Wechsel von diversen Saugern, Schnuller und Stress während dieser Zeit vermittelt bekommt, kann man die sogenannte Brustverweigerung dann auch nicht übel nehmen. In diesem Zusammenhang habe ich bereits Mütter über das Brusternährungsset mit viel Geduld und kompetenter Beratung über das Reduzieren von Pré-Nahrung zum voll gestillten Kind verholfen. Einige meiner Patientinnen kommen letztlich aber auch hervorragend mit einer Zwiemilchernährung bei Zwillingen beispielsweise zurecht.
Ich betreue „meine Frauen“ ganz individuell in ihrer vertrauten häuslichen Umgebung. In dieser geschützten Atmosphäre erlebe ich sie entspannter und aufgeschlossener dafür, mit für sie scheinbar unüberwindbaren Problemen umzugehen und sich auf sich selbst und ihr Kind einzulassen. Den Müttern Mut zuzusprechen und ihre Nöte nicht zu belächeln oder zu übergehen ist bei meiner Arbeit ein essentieller Faktor.
Umso schöner ist dann das Feedback der Patientinnen, wenn es mit dem Stillen doch endlich klappt oder ich die Familie ihren Weg gehen lassen kann, weil das Gewichtsproblem des Babys sich gelöst hat oder wenn die Zwillingsmama ihren eigenen, ganz individuellen Weg der Ernährung ihrer frühgeborenen Zwillinge gefunden hat.
Je länger ich diese Hausbesuche mache, umso mehr stelle ich fest, wie sehr es vielen Frauen gerade beim doch eigentlich ganz natürlichen Stillen an eigener Intuition fehlt. Oft fehlt das Selbstbewusstsein, sich auch mal gegen gute Ratschläge der Familie durchzusetzen und seinen eigenen Weg zu gehen, weniger auf das Zeitmanagement des Alltags, sondern viel mehr auf die Kommunikation zwischen sich selbst und dem Baby zu hören. Ein tröstendes Wort einer einfühlsamen Stillberaterin sowie die Stärkung einer Frau in die eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten, wenn man „als Mama so ganz neu ist“, kann bereits Wunder bewirken.
All dies ist wahrscheinlich meine Hauptaufgabe als Stillberaterin. Hinzu kommt ein professionelles Maß und Augenmerk auf die Gesundheit von Mutter und Kind. Ich hoffe noch vielen Müttern auf ihrem Weg helfen zu dürfen.
Eine meiner Ausbilderinnen beim DAIS, Elien Rouw, hat mir bei meiner Abschlussprüfung einen wahren Satz mit auf den Weg gegeben: „Stillberatung ist Maßwerk“. Daran muss ich oft denken und es hat mich oft vorgefertigte Richtlinien und Pläne über Bord werfen lassen. Denn Stillberatung ist für mich eine verantwortungsvolle Herzensangelegenheit.
Siershahn, 25.06.2019, Tanja Lorenz, www.stillberatung-westerwald.de